17
Sep
2007

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"Scheißkinder"

Die Familienverweigerer

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Es ist ja nicht so, dass sie Kinder hassen. Im Gegenteil. Etwaige Nichten und Neffen haben nette Tanten und Onkel, die stundenlang mit ihnen spielen, tagelang nach Geburtstagsgeschenken suchen und geduldig bei den Hausaufgaben helfen. Kinder sind nicht das Problem der Familienverweigerer. Das Problem ist das System. Familie. Brrrrr.

"Schon als Teenager wusste ich eines ganz sicher: Ich wollte auf keinen Fall werden wie meine Mutter. Und einer der sichersten Wege dahin schien, keine Kinder zu bekommen", erinnert sich die 40 Jahre alte Rundfunk-Producerin Silvia*. Das Konzept Familie? "Beklemmend!" An oberster Stelle habe immer ihre Unabhängigkeit gestanden, "ich wolle mich beruflich nicht einschränken müssen - Kinder schienen da ausgeschlossen". Und das ist auch so geblieben. "Kinder tun halt auch einer Beziehung nicht gut: Weniger Leidenschaft, kaum noch Sex, im besten aller Fälle hat man ein gemeinsames Projekt: die Kinder."

Die Kontrolle haben

Nur ein einziges Mal kam die 40-Jährige ins Schwanken. Da hatte sie ein paar Jahre lang einen Freund, der sehr viel Geld hatte - und unbedingt Kinder wollte. "Da habe ich nachgedacht und kam zu dem Schluss: Gut, wenn ich mir ein Kindermädchen leisten kann, eine rundum personalisierte Betreuung - dann könnte ich mir das vielleicht vorstellen. Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, dass der Mann sich um die Kinder kümmert", sie lacht: "Aber das ist ja noch unwahrscheinlicher als einen reichen Mann zu treffen." Sie habe nun mal keinen biologischen Kinderwunsch. "Ich habe diese Emotionen nicht."

Ulrike schwankte nicht. Die 60-Jährige Redakteurin wollte nie Kinder. "Das war ein fester Entschluss seit meiner Kindheit: Meine Eltern haben sich immer nur gestritten. Dann haben sie sich getrennt, meine Mutter wurde krank und ich kam mit zwölf zu Pflegeeltern. Elternsein, war für mich gleichbedeutend mit Streit, Trennung, Ärger. Das wollte ich nicht." Strikte Empfängnisverhütung also. "Es war mir immer sehr wichtig, die Kontrolle zu haben."

"Ich wollte noch nie Kinder. Ich habe lange gar nicht darüber nachgedacht. Was wohl auch daran lag, dass ich meine Familie als ganz fürchterlich empfunden habe", sagt Hubert*, ein 45-jähriger Buchhändler. "Es war kein Spaß, Kind zu sein in unserer Familie. Mein Vater war ein Arschloch, der uns alle verprügelt hat. Meine Eltern haben sich ständig gestritten und schließlich scheiden lassen. Für mich selber kam die Frage Kinder deshalb nie auf. Auch weil ich nie das Gefühl hätte, es besser zu machen als meine Eltern."

Hubert weiß sich einig mit seiner Freundin Franziska: "Ich will keine Kinder", sagt die 29-Jährige, die ebenfalls Buchhändlerin ist, "ich hab' genug mit mir selbst zu tun." Beängstigend empfände sie die "große Verantwortung. Ich hätte immer Angst, nach 20 Jahren mein Kind zu betrachten, und zu sagen, ,ich hab' alles falsch gemacht'."

Karin* überprüft sich immer mal wieder, ob die Entscheidung noch steht. Zumal ihr Mann neuerdings laut über Kinder nachdenkt. "Alle diese jungen Familien sind angeblich so wahnsinnig glücklich, aber ich kenne fast keine, bei der ich denke: so hätte ich's gern auch", sagt die 35-jährige Autorin. Eigene Kinder? "Da sehe ich Arbeit, Stress, Kosten." Und dann die Sorge um die Beziehung: "Ich kann mir sehr gut vorstellen, weiter mit meinem Mann ein lustiges Leben zu haben. Wenn ich Lust hab', bis morgens um 4 Uhr Rotwein zu trinken und mich kaputt zu lachen. Ich möchte nicht, dass unsere Zweisamkeit von einem schreienden Etwas zerstört wird. Natürlich muss das nicht so sein. Aber man weiß es nun mal nicht vorher. " Ein Jahr Pause von ihrer jetzigen Arbeit könnte sie sich sogar vorstellen, "ich sehe eher die Beziehung bröckeln. Man ist einfach nicht mehr zu zweit und das kommt nie wieder. Andererseits, vielleicht wäre es ein großer Spaß. Vielleicht würde man Kinder bekommen, die keine Arschlöcher werden, nicht CDU wählen oder Unternehmensberater werden. Das wäre ein gewisser Reiz. Obwohl ich Kinder extrem unspannend finde. Und es kann ja auch sein, dass man einfach ein Scheißkind hat."

Kindliches Gemüt

Früher habe sie immer gedacht, mit 25 werde sie mal Mutter sein: "Dann hätte ich jetzt ein zehnjähriges Kind. Spooky. Pünktlich käme das Abendessen auf den Tisch und ich würde mir Hausaufgaben anschauen. Da wird's mir schon wieder anders. Ich glaube, man bewahrt sich eher ein kindliches Gemüt, wenn man keine Kinder hat." Und dann die Vorstellung, nur noch mit anderen Eltern zu tun zu haben. "Der Horror."
Sie überlegt kurz: "Genau genommen, spricht eigentlich nichts dafür. Fett wird man auch noch."

Sobald sie aus dem Puppenspiel-Alter heraus war, wusste auch Gudrun, dass sie nie eine Familie haben wollte: "Ich wollte anders leben, auf keinen Fall so wie die Eltern, die sich gegenseitig mit ,Vater' und ,Mutter' angesprochen haben. Mutter sein und eine intelligente Frau - das erschien mir damals als Widerspruch." Sie habe auch immer befürchtet, als Frau unattraktiv zu werden, als Mutter nicht mehr in erster Linie Partnerin des Mannes zu sein, sagt die 52-jährige Lohnbuchhalterin. Vor allem habe sie befürchtet, die eigene Persönlichkeit zu weit zurückstellen zu müssen, "nicht mehr die zu sein, die man sein will". Der Sinn des Lebens sei für sie eben nicht, ein Kind zu haben: "Es reicht völlig, dass ich da bin."
(* Name geändert).

Link zum Originalartikel in der Frankfurter Rundschau.
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